Das Volumen des Altars baut sich in mehreren Schichten aus einem breiten Metallband (Aluminium) auf, das wie ein langes weiches Tuch in Falten gelegt ist. Die Struktur wird von einer inneren Spannung getragen, die aus dem Transfer zwischen den Materialien und ihrer gegensätzlichen stofflichen Qualität resultiert. Die Einheit von fließen- dem Tuch und hartem Metall erschließt neue Wahrnehmungsebenen jenseits des Erwarteten und definiert eine offene kubische Form, die als unendlich fortsetzbar gedacht werden kann. In einer inhaltlich bib- lischen Annäherung lässt sich an die Windeln von Betlehem wie auch an die zusammengelegten Tücher im leeren Grab nach der Auferstehung Christi denken. Beide Assoziationen mit den wichtigen Textilien des Evan- geliums verweisen auf die reale Präsenz Jesu in der Feier der Eucharistie – als Menschgewordener und Auferstandener. Das Prinzip der Schich- tung bestimmt auch die Ambo-Skulptur, in der transparente Glasplat- ten zu einem Quader verschmelzen. Zwischen den Platten sind sechs Worte „gespeichert“: Gott, Wort, Fleisch, Zeit, Raum und Erinnerung.
Keines der eingeschriebenen Worte ist wirklich lesbar, sie sind in den Block integriert und nicht pla- kativ als nachträgliche Attribute an das Objekt appliziert. Die Wort-Plastik steht als Wortspeicher da, sie markiert den Leseort für die heiligen Texte und ist zugleich verdichtete Botschaft. Das Evangelium, das an dieser Stelle verkündet wird, ist in den verwendeten Begriffen bereits zusammengefasst: Das göttliche Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns – unter den Bedingungen von Raum und Zeit – gewohnt.
Der Tabernakel – zur Aufbewahrung der eucharistischen Brote – wurde aus der Ziegelwand heraus- geschnitten. Es ist kein eigener, meist vergoldeter Schrein, kein Objekt, sondern eine „Verletzung“ der Außenwand der Kapelle. Durch den Eingriff wurde ein kleiner Freiraum geschaffen, eine Höhle, eine Seitenwunde in der Architektur, um das Wertvollste aufzubewahren. Bei dieser Gestaltung kann man an die Seitenwunde Jesu denken. Der zu öffnende Deckel ist eine flache Glasvitrine mit einem alten schwarz-goldenen Messkleid. Er gibt eine Ahnung jener menschlich-göttlichen Person, die im Brot der Eucharistie repräsentiert wird bzw. real anwesend ist. Es ist ein abstraktes Christusbild zwischen Tod (schwarze Kasel) und ewiger Lebendigkeit (Gold).
Das Kreuz in der Kapelle ist eine großformatige Fotoarbeit von Hermann Glettler. Das Bildmotiv ist ein Fundstück. Durch eine massive Hitzeeinwirkung wurde ein Kunststoffkreuz hinter der Heckscheibe eines Taxis in Nigeria extrem verformt. Diese natürlich verursachte Verunstaltung wurde als spirituell lesbare Botschaft wahrgenommen und in der Fotoarbeit festgehalten: Der Gekreuzigte ist der Leid- Überwinder. Der Tanz des ewigen Lebens hat begonnen. Der Auferstandene ist der Vortänzer aller Erlösten.
An der zentralen Wandseite der Kapelle ist bewusst eine freie Fläche ausgespart. Fast an die Gewölbe- decke gerückt befindet sich eine Christusikone aus dem 19. Jahrhundert. Man erkennt den thronen- den Weltenrichter mit der segnenden Hand und mit dem Ewigen Wort, gekleidet in rot-grüne priester- liche Gewänder. Flankiert wird der Pantokrator von Maria und dem Täufer Johannes. Ihre Arme zeigen eine fürbittende Haltung (Deesis).
Die Dominikuskapelle ist ganztägig geöffnet. Sie ist zu einem von vielen Menschen aufgesuchten Ort der Stille und des Gebetes geworden. Eine uralte Form des einfachen Christusgebetes wird an diesem Ort in besonderer Weise ermöglicht: Die eucharistische Anbetung. Es ist ein schauendes, betrachtendes Gebet. Wer die Kapelle betritt, wird von einer dichten spirituellen Präsenz berührt.