Yerushalayim / Al-Quds / Jerusalem, 1996/2000 - Branko Lenart
Über dem Restgemäuer der alten Stadt und seiner Tempelanlage schwebt eine Wolke. Nach jüdischer Volksreligiosität ist eine derartige Wolkenformation das Traumbild für das Himmlische Jerusalem. Vielleicht hielt Branko Lenart in seiner großformatigen S/W-Fotografie, die im Jahr 1996 bei einer Künstlerklausur mit Rektor Josef Fink in Jerusalem entstand, nur eine kindliche Vision fest. Der neue Tempel sollte nicht mehr mit Steinen, sondern aus einem anderen Material gebaut werden und auch seine Form sollte eine andere sein. Die alten Tempelmauern, die wie Schutzwälle rund um das Allerheiligste errichtet wurden, gleichen doch immer den Wehrmauern der Mächtigen und Besitzenden. Exklusivität in dieser Form verletzt. „Welches Haus könnt ihr mir bauen?“ fragt in einem prophetischen Wort Jahwe, der Herr aller Völker. Der 6. Oktober, der Tag der Eröffnung der Ausstellung in der Kirche, wurde wieder einmal im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern als „Tag des Zornes“ ausgerufen. Und nicht nur an diesem Tag gab es tödliche Gefechte in den Straßen der heiligen Stadt.