Bewusst alles versäumen
SB: Christian Eisenberger hat sich für 40 Tage in die Kirche zurückgezogen. Er zeichnet, liest, kocht, isst, schläft, ... in einer provisorischen Behausung auf der Orgelempore. Wie geht es dem Künstler?
HG: Soweit ich es wahrnehmen kann, erstaunlich gut. Er stellt sich mit dem bewussten Nicht-Kom- munizieren über 40 Tage einer intensiven Selbst-Herausforderung. „Gerade weil ich alles bewusst ver- säume, werde ich mich verändern.“ Mit dieser Intention hat Eisenberger die radikale Aktion begon- nen und er setzt in jedem Fall ein starkes Zeichen gegen die allgegenwärtigen Fluchtversuche des Menschen vor sich selbst und vor Gott. Inmitten von allem, was in unserer Zeit unmenschlich zuviel ist, (ver-)hüllt sich jemand. Ein existentielles Fastentuch sozusagen, das mich selbst berührt.
SB: Ist das Kunst oder eine spirituelle Übung?
HG: Beides würde ich sagen, eine Kunst-Performance in einem geistlichen Raum. Für den Künstler waren nicht religiöse Motive ausschlaggebend, aber ohne Zweifel erreicht er eine spirituelle Tiefe. Sich zurück nehmen, um Gott und dem Nächsten Raum zu schaffen, ist doch die wesentliche Übung in der Fastenzeit.
SB: ANDRÄ KUNST hat ja schon öfter Aufregung verursacht. Wie wird dieses Projekt aufgenommen?
HG: Es gibt sehr nette Solidaritätsbezeugungen und echte Betroffenheit. „Ich rede zu viel. Christian schweigt für uns!“ schrieb jemand ins Gästebuch, und eine andere Person: „Freu Dich auf den ersten Schrei! Ich komme Dich wieder besuchen.“
Interview mit Pfarrer Hermann Glettler in: Sonntagsblatt für Steiermark, 18.3.2007