Für die Ausstellung „Heiße Zeit“ in der QL-Galerie hat der Künstler Franz Konrad den Vorstehersitz und die Bestuhlung für Assistenz und Ministranten mit Feuerwehrschläuchen tapeziert und miteinander verbunden. Ein Statement dafür, dass sich die brennenden Probleme dieser Welt nur gemeinschaftlich und solidarisch lösen lassen. Die Gestaltung spannt den Bogen zu Franz Konrads Wandfresko „Geschichtswäsche“ an der Nordostwand der Kirche, das neben anderen Katastrophen den Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame zeigt.
„Es gibt doch so viele Möglichkeiten, etwas zu tun!“
Franz Konrad im Gespräch mit Alois Kölbl
Mit seiner Ausstellung in der QL-Galerie reagiert der Künstler Franz Konrad direkt auf das Quartier Leech-Jahresthema „Heiße Zeit“. Sie wird den Galerieraum in der Leechgasse mit der Kunst-Kirche St. Andrä verbinden, wo Konrad die historischen Kreuzweg-Bilder mit Imaginationen aus dem Heute weiterschreibt. In seinem letzten Projekt „Colombia Paper“ befasste er sich mit den postkolonialen Verwerfungen in Kolumbien, mit Bürgerkrieg, Ausbeutung ehedem paradiesischer Natur und Drogenkriminalität.
Du beschäftigst dich immer wieder mit einem Themenfeld, das in der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit in den letzten Monaten sehr ins Zentrum gerückt ist: Ökologie und Umweltzerstörung. Kann Kunst etwas verändern?
Ökologie ist für mich so etwas wie ein künstlerisches Urthema. Das war auch der Grund, warum ich aus der Architektur ausgestiegen bin und mich ganz der Kunst zugewandt habe. Für mich ist es das Zukunftsthema schlechthin, wenn wir damit nicht zurande kommen, sind wir Menschen dem Untergang geweiht! Deswegen kommt dieses Thema in meinen Bildern fast immer in irgendeiner Weise vor. Und: Ich bin mir sicher, dass Kunst etwas verändern kann! Meine Bilder zielen nicht auf unmittelbare Auswirkungen im gesellschaftspolitischen Handeln, aber darauf, dass eine Gruppe von Menschen nachdenklich wird. Seit Greta Thunberg ist das Thema Klimawandel zwar ständig präsent, aber konkrete Aufforderungen zum Handeln an konkrete Personengruppen bleiben völlig aus. Jede kleinste CO2-Selbstbeschränkungsidee wird sofort von Wirtschaftsbossen als nicht machbar abgeschmettert und keiner traut sich aufzustehen und diesen Bossen mal vorzuschlagen, ein Vorbild zu sein, und zwar global! Ich wollte immer in einem Land der Vorbilder leben, in einem Land, das etwas als erstes umsetzt, als erstes ins Ziel kommt ... nicht nur beim Schifahren.
Für die Ausstellung „Tschick und Politik“ in der Kirche St. Andrä in Graz wurdest du vor drei Jahren vom damaligen Pfarrer Hermann Glettler zur Gestaltung eines Wandbildes eingeladen und hast brisante Themen in den Sakralraum gebracht …
Ich habe mich damals sehr stark mit politischen Themen auseinandergesetzt. Es ist ein Wandbild in der Kirche entstanden mit dem Titel „Geschichtswäsche“. Mir ging es darum, das Weltgeschehen in die Kirche zu bringen, das reale Leben sozusagen mit den Kreuzwegbildern an der Wand zu verknüpfen. Wenn ich diese Szenen der Kreuzigung Jesu sehe, denke ich mir, es gibt das Kreuz immer noch überall, bloß die Form hat sich verändert.
Was waren die Themen?
Leid, Erniedrigung, Selbstaufgabe waren die Themen, die ich in der aktuellen Weltpolitik gesucht und gefunden habe. Die habe ich dann zwischen die Kreuzwegstationen gezeichnet. Grausamkeiten auf dem afrikanischen Kontinent, wie etwa die Ereignisse in Ruanda oder in Südamerika, in Nicaragua oder in Kolumbien, aber auch Flüchtlinge, die eine Kirche besetzen, ein damals in Österreich aktuelles Thema. Aber ich bilde nicht einfach nur das Weltgeschehen ab, die Szenen bleiben offen, sollen zum Nachdenken anregen. Da gibt es etwa ein Flugzeug, das Schachteln mit Kreuzen abwirft, man denkt zunächst an Hilfsgüter, es könnten aber auch Särge sein, oder eine Szene, bei der man an Devotionalienhandel denken könnte. Es handelt sich aber um Drogenverkauf. Mir ist das Changieren von Bedeutungsebenen wichtig und die Offenheit für verschiedene Interpretationen. Und es ging mir auch um so etwas wie einen Perspektivenwechsel, eine Blickumkehr: Ich wollte nicht den Blick auf das Kreuz, sondern letzteren vom Kreuz her auf das Umfeld lenken, auf das, was in den nach einem bestimmten Schema gestalteten Kreuzwegbildern nicht dargestellt ist.
Die Kreuzwegbilder in St. Andrä folgen dem Bildschema, das Joseph Führich in der Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffen hat. Weil von diesem Kreuzweg auch Kupferstiche angefertigt wurden, fand er sehr große Verbreitung und existiert in unzähligen, mehr oder weniger freien Kopien. Er ist sozusagen Teil eines kollektiven katholischen Bildgedächtnisses. Dem fügst du nun eine sehr subjektive Bildwelt hinzu …
Die stereotype Bildsprache des Kreuzweges hatte zunächst für mich als Künstler etwas Lähmendes. Ich hatte ja damit begonnen, bei konkreten Bildelementen des Kreuzweges anzusetzen, bei den Farben und verschiedenen Bildelementen und diese in meiner Bildsprache weiterzuentwickeln. Das habe ich dann aber sehr rasch verworfen und beim Thema und nicht bei der formalen Gestaltung angesetzt. Trotzdem ist mediale Vermittlung ein ganz wesentlicher Teil meiner Bilder. Es geht mir um die Rolle, die Medien für die Wahrnehmung und Interpretation der Welt spielen. Da sieht man etwa den „Embedded Journalist“, der im Krieg mit seiner Kamera dranbleibt und die Betrachter/innen möglichst nahe an das grausame Geschehen heranführt. Wie ja auch der Kreuzweg Leid inszeniert und Leid, Schmerz und Gewalt ganz nahe kommen lässt. Das kombiniere ich mit tagespolitisch aktuellen Themen wie etwa den Flüchtlingen in der Kirche, oder zufällig aufgeschnappten Zeitungsmeldungen wie etwa die einer Airbnb-Übernachtungsmöglichkeit in einer Kirche: für mich eine Grenzüberschreitung, die die Frage aufwirft, wie weit man Kirche kommerzialisieren kann. Doch selbst hier überlasse ich die Interpretation den Betrachter/innen.
Man sieht da auch eine Darstellung des Papstes …
Das bezieht sich auf ein Treffen von Papst Franziskus mit dem iranischen Präsidenten Rohani. Das war für mich eine große Friedensgeste, dieser religionsübergreifende Versuch der Kommunikation. Ich habe auch die bei dem Treffen erfolgte Verhüllung nackter Statuen in den vatikanischen Museen dargestellt. Das war damals sehr umstritten, aber echter Dialog braucht eben Respekt.
Die Arbeit ist im Rahmen des Ausstellungsprojektes unvollendet geblieben. Du bist gerade dabei die Bilderserie weiterzuentwickeln. Was ist zu erwarten?
Ich werde noch weitere Motive hinzufügen, etwa den Brand von Notre Dame, das ist für mich ein absolut epochales Ereignis, auch bezüglich der Bildsprache.
Der Dachreiter über der Vierung von Notre Dame, der ja erst im 19. Jahrhundert entstanden ist, hatte beim Brand so etwas wie seinen ultimativen, großen Auftritt: ein Jahrhundertbild. Was ist für dich als Künstler das Herausfordernde an diesem Bild, das sich über die Medien vermittelt buchstäblich in tausende Köpfe eingebrannt hat?
Das war ein unglaublich starkes Bild, die Flammen und das Fallen des Turmes. Das Bild einer Katastrophe, das eine ganz eigenartige Schönheit hatte und zugleich natürlich ein Katastrophenbild war, das einen Nachdenkprozess in Gang gesetzt hat. Das fasziniert mich, ich hoffe, es gut in meine Bildwelt übersetzen zu können. Spannend finde ich aber noch etwas anderes: Sofort nach dem Brand wurde eine Spendenaktion gestartet, reiche Menschen und Organisationen meldeten sich mit Millionenspenden. Es ging da sicherlich auch um Medienpräsenz und mediale Inszenierung, sonst hätte man ebenso anonym spenden können. Das interessiert mich als Künstler: Wie sehr kann oder darf man eine Katastrophe nutzen, um sich selber in den Vordergrund zu spielen? Deswegen möchte ich aus der Wolke der brennenden Notre Dame auch verschiedene Markenzeichen schweben lassen.
Die Ausstellung, an der du gerade arbeitest, hat mit den Bildern der brennenden Kirche zu tun. Du möchtest dafür auch den Priestersitz im Presbyterium der Kirche künstlerisch bearbeiten. Was hast du vor?
Ich werde den historischen, barocken Vorstehersitz mit einem Feuerwehrschlauch tapezieren, so dass sich die einzelnen Stühle mit der für die Feuerwehrschläuche typischen Storz-Kupplung miteinander verbinden lassen. So kann eine Art „Löschkette“ entstehen. In der Gruppe kann man viele Dinge besser machen als alleine. Nicht nur bei einem Kirchenbrand, sondern überall, wo es brennt bzw. es große Probleme zu lösen gilt, kann man nur gemeinsam vorgehen. Auch und gerade bei allen Umweltschutzbemühungen geht es genau darum. Mir scheint, als wäre es an der Zeit, unbequeme Fakten etwas genauer zu besprechen. Fakten und Zahlen und weniger allgemeingültiges Geschreibe, das fehlt mir in den Tageszeitungen. Nicht nur der Klimawandel, sondern auch die soziale Frage unserer globalisierten Produktionsabläufe. Wir haben unsere Sklavinnen und Sklaven weit weg geschafft, sodass sie hier nicht sichtbar sind. Stellen wir uns vor, es verblieben nur die Waren in den Auslagen der Geschäfte, die wir hier in Österreich herstellen. Wir würden in gähnend leere Schaufenster blicken!
Aber man hört immer wieder, dass all diese Bemühungen zu spät kommen.
Nein, es ist überhaupt nicht zu spät. Ich freue mich sehr über die derzeitige Bewegung der „Fridays for Future“. Und ich ärgere mich, wenn gesagt wird, dass man da nichts machen könnte. Es gibt doch so viele Möglichkeiten etwas zu tun. Es bedarf auch einer neuen Bescheidenheit in unserer Generation. Mein künstlerischer Beitrag dazu ist es, dieses Narrativ, das mich nicht loslässt, immer wieder mit meinen Bildern einzubringen.